Veröffentlicht am Montag, 10 Oktober, 2011 um 10:39 von Athari.
Kategorien:Allgemein, Athari, Freizeit.
Es riecht nach Gurken. Ich sitze kauend vor meinem Netbook und versuche, den Din A3-Scanner vor mir dazu zu bringen, eine zwei Tage alte surreale Bleistiftzeichnung einzuscannen. Meine Lieblingstante, die gerade zu Besuch in Berlin ist, fragt mich im vorrübergehen: „Hast du deinen Kommentar [sie meint diesen Blogeintrag] schon geschrieben?“ – „Das mache ich heute noch“, entgegne ich. „Ich auch“, sagt sie etwas bitter und geht von dannen.
Es geht um gestern, Freitag den 7.Oktober 2010. Bis zum 20.November findet in Berlin im sog. Bodemuseum (was auch immer Bode heißt) die Kunstausstellung „Gesichter der Renaissance“ statt, wo auch ein Werk von Leonardo da Vinci, „Die Dame mit dem Hermelin“ zu sehen ist – ein wahres Highlight für Kunstkenner (zu denen ich mich nicht zähle). (Hintergrundlinks findet ihr hier und hier)
Ich und Lieblingstante wollten mit einer Bekannten aus Jekaterinburg dorthin, welche ich im Folgenden aus Gründen „Person3“ nennen werde. Vor dem Bodemuseum an der Berliner Museumsinsel twitterte ich:
Was ich heute künstlerisch vorhatte wird erstmal verschoben, heute gehts wieder in eine #Kunst -ausstellung, heute im #Bodemuseum oder so
Der Ansturm auf die Ausstellung war ganz schön groß.
Stehe in der kollossalen Schlange vorm #Bodemuseum …
Wirklich junge Menschen waren jedoch eine Seltenheit.
So, die Hälfte der Schlange wär dann mal geschafft #Bodemuseum
Die Wartezeit in der Schlange dauerte eine knappe Stunde. (Nun war es 13 Uhr) Mit dem Ticket bekam man aber auch eine Nummer, die eine unbestimmte Einlasszeit besaß.
Haben Tickets, kommen aber erst gegen 4 rein. Minderjährige kommen btw gratis ins #Bodemuseum 😉 #Ätsch
Hach. Da glaubten wir noch tatsächlich, wir würden um vier reinkommen…
Wenn du etwas Geld da hast, kannst du im Berliner Zentrum eins nicht: Verhungern. Die Restaurants und Cafés reihen sich straßenweise aneinander. Es war eine Qual der Wahl, das richtige Restaurant zu finden, in dem wir drei die nächsten 2 Stunden totschlagen konnten.
+++ Wir unterbrechen für eine Restaurantempfehlung+++
Wir fanden schließlich das „Rocco“ direkt am S Bahnhof Hackescher Markt, das sich selbst ein „internationales Restaurant“ nennt. Den Innenraum muss man wohl ohne jede Ordnung mit dem Schnickschnack von fünf Schlössern gefüllt haben. Anders ist die chaotisch-interessante Einrichtung gar nicht zu erklären. Atmosphäre hatte das allemal und die Fressalien (mit Preisen um die 12-17Eur) waren auch sehr anständig. Empfehle ich gerne weiter.
+++ Fortzsetzung des Blogeintrags +++
Wir kamen gegen halb vier zurück zum Bodemuseum, um auf dem dort angebrachten Monitor die neuste Entwicklung der Einlasszeiten zu verfolgen.
Der Einlass ins #Bodemuseum verzögert sich um weitere 2Stunden 😉
Anscheinend hatte das Museum einfach ganze Gruppen eingeschleust, weswegen es mit den Einlassnummern mehr schlecht als recht vorangehen wollte. Das Personal schätzte, dass unsere Nummern in so zwei Stunden dran kommen sollten.
Wir nahmen das hin und nahmen es uns zum Anlass, beim Galeria Kaufhof am Alexanderplatz einzukaufen. Auf dem Weg wurde ich auf einen Laden aufmerksam, in den ich auf jeden Fall einmal mit Geld zurückkehren werde.
+++ Wir nerven den Leser wegen einer Shopempfehlung +++
„Bambus Dreams“, scheinbar ein Oriental+Esoterikladen, findet man, wenn man vom Hackeschen Markt her auf den unübersehbaren Fernsehturm zugurkt. Dort findet man alles, das ein Mensch braucht, um seinen eigenen Tempel einzurichten. Riesige Buddhas, Weihrauch, Esoschmuck und Masken. Jede Menge riesiger dämonisch-gruseliger dunkler Holzmasken. Ich hätte sie am liebsten alle mitgenommen. Solche Läden und Kunstartikel/Schreibwarenläden sind die einzigen Einrichtungen, in denen ich in einen Kaufrausch verfallen könnte. Wenn ich denn Geld hätte. Auch exotische Gemälde und ausgefallene Skulpturen sind in „Bambus Dreams“ zu finden.
+++ Und weiter geht’s +++
Auf geht’s in den Galeria Kaufhof – ein Ort, an dem von Fresskram bis Anziehkram stockweise alles zu haben ist. Ich bin kein linker oder antikapitalistischer Mensch, aber in solchen Läden kommt mir das Würgen. Alles, was ich dort um mich sehe, ist eine verblödende Scheinwelt, die Menschen ein Lebensziel als reiner Exzessivkonsument nahelegt. Zu mehr sind die „Individuen“ der heutigen Durchschnittsgesellschaft ja scheinbar auch nicht gut.
Während die anderen zwei Drittel der Gruppe nach Markenmode (*ächz*) Ausschau hielten, wurde ich ordnungsgemäß angeleint, durfte mich irgendwo hinsetzen und zeichnen. Während ich mir hundert bessere Dinge einfallen lasse, die ich mit Geld anstellen könnte, als es für Markenmode zu verprassen, zeichne ich insgesamt drei Hände, drei Köpfe, zwei Körper, ein Bein und eine Löwin, ehe ich wieder aufgesammelt werde.
Zwei Stunden später am Museum:
Yay, Einlass ins #Bodemuseum verzögert sich nochmal! Eine Person der dreierGruppe hat nun aufgegeben und fährt heim.
Das ganze verschiebt sich also nochmal auf unbestimmte Zeit, da das Museum scheinbar wieder ganze Gruppen reingelassen hat, anstatt das mit den Ticketkäufern zu tun. Nun ist es halb sechs. Seit dem Ticketkauf also rund 5einhalb Stunden statt der versprochenen 2-2einhalb. Ich und Lieblingstante beschließen, durchzuhalten und nehmen die Herausforderung, die der Besuch einer Kunstausstellung am Bodemuseum nunmal ist, an.
Wir begleiteten noch Person3 zu ihrem Gleis an der Friedrichstraße und wollten zu zweit gerade zu nem anderen, von dem aus wir wieder zum Hackeschen Markt fahren konnten, gehen, als ich plötzlich und ohne Vorwarnung von einer Person umarmt wurde, die ich – wie sich zum Glück wenige Augenblicke später herausstellte – kannte:
Es war die liebe Amy von DiamondOfTears, die mich da so erschreckt hat. Wir sagten uns lieb Hallo, sie bedankte sich für die Monsterchen, die ich ihr gemalt hatte. Sie fragte uns, wie die Ausstellung denn gewesen ist und wunderte sich, warum wir noch gar nicht reingekommen sind.
Bis 18 Uhr bleiben ich und Lieblingstante im „Ampelmann“, ein kleines buntes Café, das eine Kooperation mit dem Bodemudeum eingegangen ist: Die neusten Warte/Einlasszeiten werden auch hier auf einem Monitor angezeigt. Die neusten Daten sagen einen Einlass in frühestens 2 Stunden voraus. Da wir mittlerweile doch zu müde von alldem sind, um nochmal bis 20 Uhr oder mehr zu warten( und dabei zu risikieren, dass wir überhaupt nicht reinkommen – das Museum schließt um 22Uhr und die Tickets wären am nächsten Tag nicht mehr gültig), kehren wir zum Museum zurück, um unsere Tickets rückerstatten zu lassen.
Nach insgesamt 6 Stunden Warten geben wir auf und gehn hoim. Besuch ner Ausstellung im #Bodemuseum ? – fast unmöglich. Abzuraten.
„Schade, meint Lieblingstante, „Ich hätte doch so gern die Dame mit dem Hermelin gesehen.“ Sie war dafür extra aus Magdeburg angreist.
Dort treffen wir ein wahrscheinlich verheiratetes Paar Kunstliebhaber und erfahren ihre Geschichte. 400 Kilometer weit seien sie aus Bielefeld angereist, um die Ausstellung zu sehen. Um 9 Uhr hatten sie hier schon vorbeigeschaut. Dabei hätten ihnen die Museumsangestellten geraten, am Abend wiedergekommen. Tatsächlich aber war der Ticketverkauf bereits um 4 Uhr eingestellt worden. Nun standen sie da, ohne die Möglichkeit, noch reinzukommen, weil sie am nächsten Tag bereits abreisten. Da hatten wir eine Idee: Wir könnten doch unsere Tickets, mit denen sie um 20/21 Uhr reinkommen könnten, an sie weiterverkaufen. Das Problem: Eine der Karten, meine, war eine Kinderkarte.
Wir gingen zum Infostand, wo sich bereits eine kleine Schlange derer gebildet hatte, die ihre Karten umtauschen wollten. Die Angestellte jedoch sah keine Möglichkeit, die Kinderkarte (auch für Geld) zu einer vollwertigen aufzuwerten und ließ, als der nun etwas verärgerte Mann nach dem Namen ihres Vorgesetzten fragte, die Jalusien runterknallen. „Wenn das mein Club erfährt“, meint er fassungslos. Eine andere Mitarbeiterin weist ihn darauf hin, das man eine Beschwerde verfassen könnte. Der Mann beteuert, das bringe nichts und verlangte die Namen dr Veranntwortlichen. Er habe Möglichkeiten. (Hui)
An dieser Stelle verabschieden wir uns vom dem Pärchen, wünschen ihnen viel Glück und fahren heim.
Die Krönung des Tages war die Aussage einer Kellnerin im „Ampelmann“-Café, sie würde hier Tag für Tag frustrierte Ausstellungsbesucher antreffen, die ebenfalls Stunden warten mussten und an der miserablen Organisation des Bodemuseums verzweifelten.
Auch wenn es im Endeffekt kein reines Desaster war – immerhin übersteht man mit den richtigen Leuten ja alles und ich bin um viele Buchtipps reicher geworden – ob ihr euch für solche Kunst interessiert oder nicht (wahrscheinlich eher nicht) – geht nicht in „Gesichter der Renaissance“.
Ihr kommt einfach nicht rein.
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